Walk-space Award - Gender Sonderpreis
Im Rahmen des Walk-space AWARDs 2010 wurde das Projekt „Per-Pedes-Pass" der Volksschule Stuhlfelden mit dem Gender Sonderpreis seitens walk-space.at (in Kooperation mit dem ) ausgezeichnet.
Mit dem einfachen, aber effizienten Projekt „Per-Pedes-Pass" werden Begleitwege (vor allem jene, die mit dem PKW zurückgelegt werden) reduziert und Bewusstseinsbildung für die Persönlichkeitsentwicklung der Mädchen und Burschen geleistet. Wenn Schülerinnen und Schüler schon in jungen Jahren lernen, ihre täglichen Wegstrecken umweltfreundlich zurück zu legen, dann werden diese auf das erlernte Mobilitätsverhalten auch als Erwachsene zurückgreifen.
Genderaspekte in der Mobilität - zu Fuß
Eine Untersuchung von Gallup 2007 vermittelt einen Überblick zu den hauptsächlich benützten Verkehrsmitteln und zum Anteil des Gehens von allen Österreicherinnen und Österreichern, unabhängig vom Geschlecht.
Weitere Untersuchungen zeigen jedoch erhebliche Unterschiede bei der Verkehrsmittelwahl von Frauen und Männern:
In Österreich nutzen 64 % der Frauen, aber nur 56 % der Männer öffentliche Verkehrsmittel (und sind damit auch zu Fuß unterwegs).
Österreichische Frauen legen einen wesentlich höheren Anteil an Fußwegen zurück als Männer (VCÖ 2009).
Dies zeigt sich auch bei niederösterreichischen Erhebungen. Leider lassen diese Daten einen Rückgang des Anteils am Zufußgehen über die Jahre erkennen. Obwohl der Anteil der Männer, die ihre Wege zu Fuß zurücklegen, nur geringfügig rückläufig ist, betrug der Anteil der Frauen, die 1995 noch zu 28 % ihre Wege zu Fuß zurücklegten, im Jahr 2003 nur noch 21 % (Verkehr in Zahlen 2007).
Der Modal Split in Wien zeigt seit 1990 einen rückläufigen Anteil am motorisiertem Individualverkehr welcher 2006 bei 34 % lag. Die restlichen 66 Prozent waren mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dem Rad oder zu Fuß (27 %) unterwegs. (Socialdata 2006).
Neueste Erhebungen zeigen, dass in Wien 72 % der Frauen ihre Alltagswege umweltfreundlich zurücklegen (VCÖ 2009). 56 % aller Wege zu Fuß in Wien im Jahr 2006 wurden von Frauen und 58 % aller Wege mit dem Auto von Männern zurückgelegt (Kail E. 2009).
Eine ältere Untersuchung, die für den Masterplan Verkehr 2003 in Wien erstellt wurde, zeigt deutlich den höheren Anteil von Frauen bei Begleit- und Versorgungswegen.
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einerseits, dass Frauen umweltverträglicher unterwegs sind: 36,5 % der Frauen und nur 27,6 % der befragten Männer waren in Wien an einem Werktag zu Fuß unterwegs und
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anderseits die dominate Rolle von Frauen bei Begleitwegen für Kinder: Wege in Wien , die mit einem Kind zurückgelegt werden, werden zu 62% von Frauen erledigt, Wege in Begleitung von 2 Kindern werden sogar zu 77% von Frauen gemacht.
(Quelle Bente Knoll, Elke Szalai u.a., bmvit 2008)
Gender meint nicht alleinig die biologischen Geschlechtsmerkmale, sondern vor allem auch die sozialen Merkmale, welche in unserer Kultur verankert sind. Ob Mann oder Frau, jung oder alt werden täglich Wege in vielfältiger Weise (zu Fuß, mit dem Rad oder PKW, etc.) aufgrund zahlreicher Wegezwecke (Arbeit, Schule, Einkauf, Freizeit, Begleitwege, etc.) zurückgelegt. Diese Einflussfaktoren bestimmen vor allem die qualitativen Angebote der Mobilität.
Die folgenden Kurzbeschreibungen von Studien sind dem Hintergrundbericht zum VCÖ-Projekt „Gender und Verkehr", Wien 2009 entnommen.
Im Heft 22 der Schriftenreihe „Niederösterreichisches Landesverkehrskonzept", herausgegeben vom Amt der NÖ Landesregierung, zeigen die Autorinnen Bente Knoll und Elke Szalai die Zusammenhänge der Strategie Gender Mainstreaming und Mobilität auf. Die Broschüre liefert einen fundierten Einstieg in die politische Strategie Gender Mainstreaming im Zusammenhang mit einem Fachthema. Erstmals im deutschsprachigen Raum wird die Strategie Gender Mainstreaming mit den Themen Verkehrsplanung und Mobilität in Verbindung gebracht.
Die vorhandenen Daten aus der landesweiten Mobilitätserhebung (2003) werden geschlechterspezifisch aufbereitet dargestellt und so stehen mit der Broschüre erstmals repräsentative Daten zum Mobilitätsverhalten differenziert nach Frauen und Männer zur Verfügung. Weiters werden good-practice-Beispiele aus Österreich und Europa vorgestellt und näher beschrieben. Diese Projekte zeigen die erfolgreiche Umsetzung von verkehrsplanerischen und begleitenden Maßnahmen zur Verbesserung von Mobilitätschancen von Frauen und Mädchen, Männern und Burschen in städtischen und ländlichen Räumen auf.
Mit der Broschüre wurde ein Diskussionsprozess in Gang gesetzt, ein Bewusstseinsbildungsprozess innerhalb der Verkehrsplanung des Landes Niederösterreich gestartet und dies ist als Ausgangspunkt für weitere Aktivitäten zu sehen.
Forschungsprojekt und Publikation „Frauenwege - Männerwege"
Entwicklung von Methoden zur gendersensiblen Mobilitätserhebung
Im Rahmen des Forschungsprojekts, beauftragt vom österreichischen Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, wurden die gängigen Methoden zur Mobilitäts- und Verkehrserhebung, wie die österreichweite Verkehrserhebung 1995 sowie ausgewählte Beispiele aus den österreichischen Bundesländern (Niederösterreich 2003, Oberösterreich 2001) aus der Genderperspektive analysiert.
Durch die Genderanalyse wurde deutlich, dass durch die gängigen Verkehrs- und Mobilitätserhebungen nur bestimmte Alltage und Lebenszusammenhänge abgefragt werden. Nicht erst in den Auswertungen und Interpretationen der Daten, sondern bereits im Fragebogen finden sich Vereinfachungen und Verkürzungen, die wesentliche Aspekte des Mobilitätsverhaltens vor allem von Menschen mit Betreuungspflichten ausblenden.
Im Zuge dieses Projekts wurde ein gendersensibles Fragebogen-Set entwickelt, mit dem Wegeketten, Wegezwecke und auch andere Einflussfaktoren der Mobilität von Personen differenziert erhoben werden können. Dieses gendersensible Fragebogen-Set ist vom Erhebungsdesign her an bestehenden Haushaltsbefragungen zur Mobilitätserhebung angelehnt, um so eine gewisse Vergleichbarkeit der Daten zu ermöglichen.
Die Arbeit im Forschungsprojekt „Frauenwege. Männerwege" hat beispielsweise gezeigt, dass 40 Prozent aller Wege sowohl von Frauen als auch von Männern in Begleitung zurückgelegt werden, wobei Frauen eher in Begleitung mit Kindern und Männer eher in Begleitung von Erwachsenen unterwegs sind.
Die offen gestellte Frage nach den Wegezwecken („Warum beziehungsweise zu welchem Zweck haben Sie diesen Weg unternommen?") bedeutet bei der Dateneingabe, wenn die handschriftlichen Angaben wortwörtlich abgetippt und dann in entsprechenden Clusterungsschritten zu Kategorien zusammengefasst werden müssen, einen Mehraufwand. Jedoch lassen sich nur so die vielfältigen Gründe der Mobilität adäquat erfassen und nur durch eine differenzierte Erfassung der Wegezwecke sind Bezüge und Rückschlüsse zu anderen Forschungsergebnissen (beispielsweise Zeitverwendungsstudien) möglich. Auch die Freizeitwege und somit die Freizeitmobilität können durch die offene Frage nach den Wegezwecken besser und detaillierter abgebildet werden.
Initiativen im Bereich Gender Mainstreaming und Mobilität
Ein gutes Fußwegenetz orientiert sich an die Bedürfnisse von Frauen und Männern, jungen und alten Menschen wie auch mobilitätseingeschränkten Personen. Eine Orientierung an die unterschiedlichen Bedürfnisse stellt verschiedenste Anforderungen an den öffentlichen Raum. Erste Initiativen zur Herstellung von Chancengleichheit für Fußgängerinnen und Fußgänger und zur Berücksichtigung einer geschlechtssensiblen Verkehrsplanung wurden beispielsweise in Wien realisiert:
- Gendersensible Planung, Gender Split
- Pilotprojekte
- Integration Masterplan Verkehr
- Gender Mainstreaming im Städtebau
- "Stadt fair teilen"
Doch Wien ist nicht die einzige Stadt, die sich mit Genderaspekten des Gehens und der Mobilität generell beschäftigt. Einige der Projekte beim Walk-space AWARD zeigen, dass auch in anderen Städten und kleineren Gemeinden vorbildliche Projekte geplant und realisiert werden, wie beispielsweise das mit dem Walk-space AWARD 2010 ausgezeichnete Projekt "Gschirmbachpassage" in der Stadtgemeinde Amstetten (NÖ). Diese Bahnunterführung stellt eine attraktive Querungsmöglichkeit dar, bei der die Sicherheit mittels Lichtinstallationen, künstlicherischer Ausgestaltung sowie einer Verbreiterung der Durchgangsbreiten und -höhen erreicht werden konnte.
„In unserer Gesellschaft werden das Einkaufen, das Begleiten von Kindern und älteren Menschen oder die Wege für andere (kranke, ältere) Menschen immer noch mehrheitlich von Frauen erledigt und auch von Frauen erwartet" fasst der VCÖ die aktuelle Problemlage zusammen (VCÖ 2009).
In Zukunft sollte daher bei Verkehrsplanungen verstärkt auf die genderrelevanten Aspekte der Mobilität eingegangen werden. Bereits bei den Erhebungsmethoden können gendersensible quantitative Fragebögen eingesetzt werden. Eine erste Entwicklung eines solchen Erhebungsdesigns führten Dr. Bente Knoll und DI Elke Szalai durch. In differenzierter Weise versuchten sie unterschiedliche Haushaltsformen, Beschäftigungsverhältnisse sowie Versorgungs- und Betreuungspflichten von Personen zu erfassen.
Der erweiterte Genderbegriff wird in Zukunft wegen der demographischen Entwicklung in Österreich (Stichwort: "Golden Agers") bewirken, dass vor allem die Gruppe der älteren Menschen und deren Bedürfnisse für qualitätsvolle Fußgängerinfrastruktur an Bedeutung weiter zunehmen wird. Für ältere Menschen ist das Zufußgehen noch wichtiger als in den anderen Altergruppen - darüber hinaus ist auch der Frauenanteil in dieser Gruppe überdurchschnittlich.
Im Rahmen von Fußgängeraudits bzw. FußgängerInnenchecks für Städte und Gemeinden werden seitens walk-space.at ähnliche gendersensible Faktoren abgefragt und gegebenenfalls auch mittels Fragebogenuntersuchung ausgewertet. Vor allem die Gruppen Kinder / Jugendliche und ältere Menschen werden aktiv angesprochen und als lokale ExpertInnen betrachtet.
Die Empfehlungen zur gendersensiblen Mobilitätserhebung sind laut Knoll, Szalai (bmvit 2008) u.a.:
- die offene Abfrage von Wegzwecken,
- die explizite Abfrage nach Begleitwegen und
- die Berücksichtigung neuer Arbeits-, Familien- und Lebensformen (z.B. Telearbeit)
damit Wege in ihrer tatsächlichen Ausprägung besser erfasst werden können.
Wie Zeitreihen von Mobilitätsdaten zeigen (siehe Abbildung zu Niederösterreich oben), nutzen immer mehr Frauen den Pkw: Ursache dafür sind meistens die räumlichen Rahmenbedingungen (Siedlungsentwicklung in schlecht mit öffentlichen Verkehrsmitteln erschlossenen Lagen, Einkaufszentren und Arbeitsplätze auf der „grünen Wiese" und weite, unattraktive Gehwege).
Maßnahmen, die zu kurzen Wegen im Alltag beitragen, die sicher und auf attraktive Art zu Fuß zurückgelegt werden können - wie beispielsweise die Projektbeispiele in der Good-practice Broschüre des Walk-space AWARDs 2010 - tragen somit erheblich zur Verbesserung der Mobilitätssituation von Frauen bei, wobei natürlich auch Männer von sicheren und als angenehm empfundenen Fußwegen profitieren.
Ansprechperson für Details zu FußgängerInnen-Check, Projektarbeit: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
Erstellt in Kooperation von:
DI Ernst Lung, BMVIT (Textbeiträge)
DI Martina Strasser, walk-space.at (Textrohfassung, Gesamtlayout)
DI Dieter Schwab, walk-space.at (Endredaktion)
Stefan Müllehner, walk-space.at (techn. Unterstützung)
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Quellen:
Good-Practice Broschüre: die Top 46 Projekte des Walk-space AWARDs 2010
Walk-space Projektarbeit: FußgängerInnencheck für Städte und Gemeinden
Walkspace Mobilität: Pilotprojekt „Zu Fuß im St. Andräviertel“ (Salzburg)
Walkspace Mobilität Projekte: FußgängerInnencheck, Mobilitätssensibilisierung: „Gut Zu Fuß in St. Pölten“ (St. Pölten, NÖ), Fußgängeraudit: Projekt "Andritz nah & mobil - gut zu Fuß und mit dem Rad" (Graz, Stmk)
Bente Knoll, Elke Szalai u.a.: Frauenwege - Männerwege - Entwicklung von Methoden zur gendersensiblen Mobilitätserhebung, Wien, bmvit 2008, Forschungsarbeiten aus dem Verkehrswesen, Band 175
(Bestellung: siehe Link bzw bei DI Ernst Lung , bmvit, Tel (01) 7116265 1101)
Knoll, Bente; Szalai, Elke (2005): Gender Mainstreaming und Mobilität in Niederösterreich, Schriftenreihe Niederösterreichisches Landesverkehrskonzept, Heft 22, Hg.: Amt der NÖ Landesregierung, Abteilung Gesamtverkehrsangelegenheiten
Mobilitätsanlayse Niederösterreich (2010), Verkehr in Zahlen in Niederösterreich
VCÖ Projekt: Gender Gap im Verkehrs- und Mobilitätsbereich, Hintergrundbericht. Hg.: VCÖ, Wien 2009
Verkehr in Zahlen 2007, Wien, Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (bmvit), Abteilung V/Infra 5 - Internationale Netze und Generalverkehrsplanung
Socialdata: Ergebnisse einer Mobilitätsstudie im Rahmen der Erstellung des Masterplans Verkehr 2003, Wien 2002
Stadt Wien, "Stadt fair teilen"
Stadt Wien, Masterplan Verkehr
Gender Mainstreaming im Städtebau